Blog: HIDDEN HEROES

Helden finden sich unbemerkt an jeder Ecke.

Auch du bist einer.


Jeden Monat wird hier ein Beitrag veröffentlicht, den ein Betroffener oder eine Betroffene selbst verfasst hat.

Selbstverständlich geschieht die Publikation ausschließlich nach Freigabe und Zustimmung des Autors oder der Autorin.

Dies dient nicht nur zur Information und Entstigmatisierung, sondern bietet Betroffenen auch ein Sprachrohr.


Helden des Monats


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  • Held des Monats – Juni

    Der Juni ist der sechste Monat des Jahres.
    Benannt wurde er nach der römischen Göttin der Götter JUNO, die Gemahlin des Jupiter und Tochter des Saturn. Sie ist die Göttin der Ehe, der Geburt und der Fürsorge und die Beschützerin Roms. Ihr Begleiter ist der wunderschöne Pfau, und ihr Element die Luft.

    Ein wunderschönes Wesen haben wir in diesem Juni auch als Gast-Schreibenden auf der Webseite hier.
    Thomas F. wurde erst Ende April 2023 im 39. Lebensjahr mit ADHS diagnostiziert, was spät ist, aber späte Diagnosenstellung ist (leider) keine Seltenheit.


    Thomas F. im Kampf gegen sein ADHS.

    Thomas F. vs ADHS

    Man wird ständig mit irgendwelchen Problemen konfrontiert. Man macht Fehler, kommt zu spät, vergisst ständig etwas, solche Sachen.
    Es passiert immer wieder.

    Man nimmt sich vor, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird, man überlegt und schmiedet Pläne, die zum Scheitern verurteilt sind, weiter Probleme nach sich ziehen oder sonstige unbeabsichtigten Auswirkungen auf mich und/oder die Mitmenschen haben.
    Das lag daran, dass die Ursache unbekannt war, die vermeintlichen Lösungen waren Symptombekämpfung…
    Jetzt, im Nachhinein, macht alles Sinn, durch die Diagnose.
    Damit lässt sich einfach anders arbeiten.
    Es ist wirklich mühsam; man macht sich ein Leben lang Vorsätze, gelobt Besserung, denkt sich: „Wenn ich dies und jenes schaffe, steht mir dieser und jener Weg offen…“ und dann passiert wieder etwas. Verbunden ist das ganze mit ständigen Selbstvorwürfen.
    In den Augen meiner Mitmenschen wirke ich manchmal unzuverlässig, schusselig, dümmlich, ja, goofy. So nehmen sie mich wahr.
    Aber so bin ich nicht!
    Daher hab ich versucht aus der Not Tugend zu machen, und die Sachen mit Humor zu kompensieren, um die Ursache zu verschleiern und es so aussehen zu lassen, als wäre meine Ungeschicklichkeit Absicht.
    Was mich allerdings wirklich beschäftigt, ist folgendes:
    Die Kluft zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung.
    Meine Ansprüche und die der anderen.
    Je größer die Lücke dazwischen ist, desto mehr leidet man selbst darunter.
    Ich finde es persönlich furchtbar, wenn ich als faul bezeichnet werde. Ich bin faul, aber nicht auf die Art, die meine Hoppalas vermuten lassen.
    Des Weiteren interpretieren die meisten meiner Mitmenschen mein ständiges Zu-Spät-Kommen als Desinteresse, zum Beispiel an meinem Job.
    Man bemüht sich, die Kluft zu verringern indem man versucht, zu verstehen, indem man sich mit sich selbst und seiner Umwelt beschäftigt, versucht, den Fehler zu finden, aber die eigentliche Frage ist doch: warum werde ich meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht?
    Man sucht nach Ausreden, nach einfachen Antworten, man betäubt und zerstreut sich, und kommt dennoch nicht voran.
    Es ist frustrierend. Man hat Ziele, Hoffnungen, Sehnsüchte und Wünsche, und keine Ahnung, wie man dort hinkommt, wie man sie erreichen kann.
    Ich kenne mein Leben nur so wie es ist, als Überleben. Ich habe immer das Gefühl, da geht noch mehr, aber keine Ahnung, wie ich das schaffen soll.

    Doch genug gejammert, hat das alles einen Sinn? Parodoxerweise entwickelte ich über die Jahre eine Problemlösungskompetenz und ein Denken, das weit über den Tellerrand hinausgeht. Selbstkritik bis zur Selbstzerstörung führt dazu, dass man die menschliche Existenz aus einer komplett anderen Perspektive betrachtet, über Dinge lachen kann, die anderen vermutlich unnötigerweise wehtun. Man nimmt bestimmte Aspekte des Lebens und sich selbst nicht mehr so ernst – wohl dosiert bzw. als (nicht ungefragten) Ratschlag formuliert, kann dies durchaus erfrischend und erleichternd sein. Diesen Blickwinkel versuche ich zu verarbeiten bzw zu vermitteln – sei es durch blöde Witze, Gedichte oder Musik. Ich möchte helfen. Mir selbst vor allem – so schonungslos ehrlich muss man sein – , aber meine Erfahrungen auch weitergeben, damit andere davon profitieren. Jetzt wo ich eine Diagnose bzw. Erklärung habe, hadere ich nicht, sondern erkenne die Chance. Anstatt die Symptome zu bekämpfen, muss ich akzeptieren lernen, dass ich bei manchen Dingen Defizite habe. So kann ich Strategien entwickeln. Eines davon ist zum Beispiel mein Notfalltäschchen mit Items, die unterstützend wirken, wenn ich einmal den Boden unter den Füßen bzw. den Fokus verliere. Alles fügt sich zusammen und hat einen roten Faden. ADHS, eigentlich unvorstellbar, doch es kommt in meiner Realität an und hilft die oben genannten Klüfte zusammen zu nähen.

    – Thomas F.


    Hier noch ein selbst verfasster Text von unserem Lyrik-Helden des Monats.


    Was du verlierst
    Bleibt für immer
    Teil von dir
    Unerhört und
    Ungehört
    Für immer weg
    Jagt es dir immer dann einen Schreck ein
    Wenn du es entdeckst
    Nur darauf warten,
    Um zu erwarten,
    Dass es von selber kommt
    Wird dich berühren
    Und wegführen
    Von dem worauf es wirklich ankommt

    Was du verlierst
    Brennt sich auf ewig
    In dich ein
    Hinterlässt Formen,
    Muster und dich
    Für immer allein

    Was du verlierst
    Bleibt bestehen,
    Nur in andrer Form
    Kommt es dann zu dir
    Stößt du es von dir fort
    Ein Tropfen, ein Gedanke und ein Sturm
    (Ob im Ozean
    Ob im Wasserglas)
    Bei der Suche danach
    Bleibt es stumm
    Bleibt es stumm bleibt es stumm
    Bleibt es stumm
    Wenn du danach
    Schreist,
    Dich danach zehrst,
    Dich dafür verbiegst
    Reibt sich der Schatten davon
    An deiner Seele wund

    Die Erkenntnis bleibt verborgen,
    Auch wenn du sie siehst,
    Macht es dir Sorgen,
    Dass du dich dem nicht entziehst

    Woran du glaubst und
    Was du dabei fühlst
    Zeigt sich nur dann
    Wenn du dich konstant
    Selbst belügst

    Thomas F.


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